Dateien kommen in Ordner, wohin denn sonst? Aber hast du schon einmal darüber nachgedacht, dass es auch noch andere Möglichkeiten gibt? Ich zeige dir, wie es besser geht.
Wenn ich meinen Papierkram erst einmal digitalisiert habe, wird alles besser! Schließlich habe ich dann endlich keine Kisten voll mit Rechnungen und Belegen mehr oder stapelweise Ordner, die meine Regale verstopfen. Wenn es doch nur so leicht wäre! Es ist nämlich viel einfacher, die etablierte Unordnung aus der Papierwelt ins papierlose Zeitalter mitzunehmen. Ohne Organisationsstrategie für deine Dateien wirst du Schiffbruch erleiden und schon nach kurzer Zeit nichts mehr finden.
Schuld daran hat auch das Konzept des Desktops. Der Desktop repräsentiert den physischen Schreibtisch in der digitalen Welt. Und kann ohne weiteres genauso zugemüllt werden, wie sein realer Gegenpart. Und ruckizucki, wühlst du digitale Stapel durch, wie du es vorher mit denen aus Papier getan hast. Alles andere als optimal.
Aber wie organisiert man denn nun idealerweise seine Dateien? Prinzipiell gibt es hierfür zwei Antworten und eine — in meinen Augen — ideale Kombination.
Hierarchische Strukturen als Denkmuster
Die meisten werden wohl intuitiv Ordner anlegen, wenn sie ihre digitalen Datenbestände organisieren wollen. Das kann durchaus sinnvoll sein, schließlich sind wir auf diese Art von Hierarchien konditioniert. Behörden funktionieren zum Beispiel so. Nehmen wir einfach mal das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg.
Ganz oben haben wir da den aktuellen Minister Thomas Strobl – sozusagen die oberste Ordnerebene. Darunter folgen dann noch einige Staatssekretäre und Sonderbeauftragte, die nicht interessieren sollen. Wirklich spannend wird es bei den einzelnen Abteilungen. Diese sind nämlich quasi Unterordner des Gesamtordners Innenministerium. Da gibt es dann eine Abteilung für Personal, Finanzen, Organisation und Dienstrecht oder eine für Verfassung, Kommunales und Recht. Das Denken in hierarchischen Kategorien begegnet uns quasi überall. Tiere und Pflanzen werden in dieser Weise geordnet, Unternehmen und Behörden funktionieren oftmals auf diese Weise. Es ließen sich viele weitere Beispiele finden.
Ordner fühlen sich instinktiv richtig an
Verschachtelte Ordner fühlen sich für die meisten einfach instinktiv richtig an. Da gibt es dann einen großen Ordner für Finanzen mit je einem Unterordner für Rechnungen, Verträge, Versicherungen, Lohnabrechnungen… die Liste könnte problemlos fortgesetzt werden. Sofern man studiert, gibt es wohl den unvermeidlichen Ordner Uni, in dem sich dann Ordner der einzelnen Semester befinden, die wiederum die einzelnen Seminare und Vorlesungen beinhalten, die wiederum einzelnen Sitzungen Platz bieten, die wiederum.. ach, lassen wir das.
Wir sehen also, dass uns Ordner sehr geläufig sind. Und sie haben ja auch nicht zu bestreitende Vorteile. Wer seine Struktur gut kennt und genau weiß, wo er oder sie etwas abgelegt hat, kann sich mit schlafwandlerischer Sicherheit durchnavigieren und wird in Windeseile, die Datei finden, die er oder sie sucht. Und darum geht es ja: den schnellen Zugriff auf einmal abgelegte Dateien sicherzustellen.
Das große Problem der Uneindeutigkeit
Es gibt aber leider ein schwerwiegendes Problem mit Ordnern: thematische Unschärfe. Bei einigen Dateien ist völlig klar, wohin sie gehören. Eine Rechnung ist eine Rechnung ist eine Rechnung. Keine zwei Meinungen. Also ab damit in den Rechnungsordner.
Aber Moment! Selbst dieser scheinbar einfache Fall kann schon Verwirrung stiften. Was ist denn, wenn ich für die jährliche Steuererklärung alle relevanten Dokumente sammeln möchte? Lege ich dann einen extra Ordner hierfür an und kopiere den Rechnungsordner rüber? Habe ich ihn dann also zwei Mal auf der Festplatte? Das ist keine gute Idee, da ich mich in Zukunft immer entscheiden müsste, in welchen der zwei Ordner eine neue Rechnung kommt. Oder ihn in beide packen, was Platz frisst und unkomfortabel ist.
Für dieses Problem mag man sicherlich noch eine Lösung finden. Viel schwieriger wird es, wenn wir von einem typischen universitären Usecase ausgehen. Ich sammle beispielsweise all meine Seminartexte. Entweder um sie für spätere Arbeiten zu nutzen, oder für den Fall, dass ich selbst in die Rolle des Lehrenden schlüpfe. Ich halte es einfach für eine gute Idee, auf möglichst viele wissenschaftliche Texte zurückgreifen zu können.
Hier gibt es aber ein schwerwiegendes Problem: die thematische Uneindeutigkeit. Was mache ich denn mit einem Text, der sich mit der EU-Nachbarschaftspolitik am Beispiel von Georgien beschäftigt? Stecke ich ihn in einen Ordner zur EU, Unterordner Nachbarschaftpolitik? Oder Internationale Beziehungen – EU – Georgien? Oder lege ich Einzelordner für Ländern an? Oder stecke ich ihn in einen Ordner für das Seminar, in dem ich den Text gelesen habe? Dann würde ich aber wieder jegliche Querverweise beseitigen. Alles irgendwie suboptimal.
Mit Tags zu größerer Flexibilität
An dieser Stelle schaffen Tags Abhilfe. Tags sind kleine Label, die man an Dateien anheftet. Der große Vorteil ist, dass man beliebig viele Tags an einen Datei kleben kann. Ganz so wie man Sticker auf einen Koffer klebt, um zu zeigen, wo man schon überall war, können mit Tags alle thematischen Verbindungen einer Datei erfasst werden. Der eben genannten Text über die EU, hätte dann beispielsweise die Tags EU, Georgien, Nachbarschaftspolitik. Somit würde er bei jeder Suche nach einem der drei Stichworte auftauchen.
Und da sind wir auch schon beim Punkt: Tags zu nutzen ist ja schön und gut, aber wo sollen die Dateien denn gespeichert werden und wie finde ich sie wieder?
Prinzipiell reichen bei einem Tag-basierten Vorgehen zwei große Ordner für alles. Im ersten sind neue Dateien drin, die noch keine Schlagworte bekommen haben, sozusagen der Eingang bzw. die Inbox. Der zweite Ordner ist das Archiv. Dort landet alles drin, was bearbeitet/gelesen und verschlagwortet ist. So simpel.
Ich kann mir gerade bildlich vorstellen, wie bei einigen von euch der kalte Schweiß ausbricht. Wie? Nur noch ein Ordner für alles? Wie soll ich denn darin jemals etwas wiederfinden? Die Antwort heißt suchen. Man gibt einfach das gesuchte Schlagwort ein, beispielsweise Rechnung und die interne Suche des Filebrowsers spuckt alle Dateien mit dem Tag Rechnung aus. Eigentlich ganz simpel, sofern man sich „traut“ und vom alten Ordnerdenken lösen kann.
Aber natürlich gibt es auch hier ein großes Problem. Wenn ich nämlich nur so ungefähr weiß, wonach ich suche, stoße ich schnell an Grenzen. Dann wäre es schöner, wenn ich mich durch Ordnerstrukturen wühlen könnte, meiner Intuition folgend. Das dauert vielleicht eine Weile, wird mich aber irgendwann zum Ziel führen. Und wenn man Pech hat und eine schlechte interne Suche erwischt, hat man sowieso schon verloren. Gerade Mailprogramme haben oft ihre Probleme, wirklich gute Resultate zu liefern.
Auf einem Bein kann man nicht stehen — Mut zur Kombilösung
Ich habe beide Varianten ausprobiert. Zunächst die „normale“ Lösung mit vielen verschachtelten Ordnern. Als ich dann zu Evernote gewechselt bin, nutzte ich nur noch Tags, eine Inbox und ein Archiv. Beides empfand ich als nicht optimal.
Mittlerweile ist Devonthink Pro Office* meine Dateiverwaltung der Wahl. Wieso, weshalb, warum? Dazu werde ich später nochmal einen Artikel schreiben. Für den Moment reicht die Info, dass ich es verwende. Man kann aber auch einfach den integrierten Filebrowser eures jeweiligen Betriebssystems nutzen. Jeder moderne Filebrowser unterstützt sowohl Ordner, als auch Tags und ist damit in der Lage, dieses System zu nutzen.
Dort nutze ich dann einige große Behälter, sog. Datenbanken, die grob nach unterschiedlichen Lebensbereichen unterscheiden: eine für alles was mit der Uni zu tun hat, eine für das digitale Büro, eine für diese Seite hier und so weiter und so fort. Innerhalb dieser Datenbanken habe ich dann teilweise weitere große Ordner, um die Daten ein wenig zu strukturieren. So kann ich mich nach wie vor durch Ordner klicken, wenn ich nur ungefähr weiß, was ich will, habe aber nicht das Problem, dass alles so verästelt ist, dass ich mich im Geflecht verliere.
Den Hauptteil meiner Suchen erledige ich nämlich über vergebene Tags in Kombination mit Dateinamen. Ich suche das Ticket für die nächste Bahnfahrt? Ich suche nach dem Tag Ticket und möglicherweise noch dem Reiseziel. Ich suche nach Texten über die EU? Ich suche nach dem Tag EU.
Auf diese Weise bündle ich die unterschiedlichen Vorteile. Ich kann Dateien mehrere Bezüge geben und somit Querverweise erhalten. So baue ich eine Datenbank auf, die dem Gedanken des Internets entspricht und sehr mächtig ist. Gleichzeitig muss ich mich nicht völlig von Ordnerstrukturen lösen, kann sie aber deutlich reduzieren.
Purist*innen der einen oder anderen “Schule” mögen mir Inkonsequenz vorwerfen. Ich für meinen Teil bin mit dieser Mischstrategie aber äußerst zufrieden. Die integrierte Suche von Devonthink ist extrem mächtig, sodass ich immer alles finde, wenn ich weiß wonach ich suche. Und sollte ich das mal nicht so genau wissen, klicke ich mich durch meine wenigen, großen Ordner und kreise das Ziel so ein.
Auf diese Weise habe ich ein leistungsfähiges System, das die Vorteile aus beiden Welten bündelt und die Schwächen gegenseitig ausmerzt. Am Ende steht damit ein enormer Produktivitätsgewinn — und darauf kommt es schließlich an.
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Hey Jan,
ich beschäftige mich derzeit auch mit dieser Thematik. Seit der Veröffentlichung dieses Beitrags ist schon etwas Zeit vergangen. Daher würde mich interessieren, ob du immernoch deine Tagging Strategie verfolgst. Ich habe nämlich kürzlich einen alternativen Weg gefunden das “Kategorisierungsproblem” einzudämmen. Anstatt von “Tags + Suche”, nutze ich dafür jedoch nicht-semantische Kategorien auf den oberen Hierarchieebenen meiner Ordnerstruktur, wie etwa “Projekte”, “Bereiche”, “Ressourcen”, “Interessen”. Anstatt einer Sach- oder Themengruppe, werden Dateien & Notizen hier auf oberster Ebene zunächst nach ihrem aktuellen “Status” sortiert. Das erfordert zwar an der einen oder anderen Stelle etwas mehr Aufwand und auch zunächst ein Umdenken. Es jedoch den großen Vorteil, dass es – zumindest für meine private Ablage – deutlich einfacher wurde, direkt zu dem Teil der Ablagestruktur zu navigieren, den ich aktuell auch wirklich brauche. Tags nutze ich hingegen nur als temporäre Hilfestellung, z.B. in einem Projektordner könnten noch ungelesene Notizen das Tag “wip” (work in progress) bekommen. Diese werden aber dann nach Abschluss des Projektes wieder gelöscht. Mehr dazu kann man hier nachlesen: https://ubermind.de/ordnerstruktur-digitale-ablage/
Hey Dennis! Gute Frage und danke für den Hinweis. Das sieht interessant aus und ich werde mir das die nächsten Tage mal durchlesen. Hab bald einen Langstreckenflug vor mir, da ist ein guter Moment für so einen ausführlichen Artikel . 😊 Wenn ich den gelesen habe, kommentiere ich nochmal ausführlich bei euch. Um deine Frage aber noch kurz zu beantworten: Bin immer noch bei meiner Mischstrategie aus Ordnern und Tags, wobei Tags in erster Linie als Trigger für Hazel funktionieren, um Dateien automatisiert in Ordner zu verschieben.