Produktiver werden mit Time Tracking

Wenn ich mich an den Schreibtisch setze, um an meiner Promotion oder einem Artikel zu arbeiten, dann gibt es einen Schritt, der nie fehlen darf: Der Start einer meiner vielen Projekt-Timer, die in der Folge so lang mitlaufen bis ich die Aufgabe beendet und den Timer wieder ausgeschaltet habe. Dieses Ritual wiederhole ich täglich viele Male, da ich für jede Art von Arbeit die aufgewendete Zeit erfasse. Warum tue ich das? Was bringt mir das? Und welche digitalen Tools verwende ich hierfür?

Wieso Time Tracking?

Wieso überhaupt Time Tracking? Für mich erfüllt das Erfassen meiner Arbeitszeiten zwei Ziele. Zum einen gibt es mir einen hervorragenden Eindruck davon, wie ich meine (Arbeits-)Zeit aufwende. Man denkt zwar immer, genau zu wissen, was man wie lang arbeitet, nach meiner Erfahrung ist das aber ein gefährlicher Trugschluss. Gerade bei anstrengenden Tätigkeiten oder sehr langfristigen Projekten, die einen nicht sofort für die getane Arbeit belohnen, ist es oft einfacher, ein wenig abzukürzen. Direkt in diesem Moment ist einem zwar klar, dass man sich hier gerade selbst betrügt, allerdings ist das nach wenigen Tagen schon völlig vergessen. Was bleibt, ist die Tatsache, dass man weniger an diesem Projekt gearbeitet hat, als man sollte. Wenn ich aber timetracke, wird mir schonungslos vor Augen geführt, wie viel Zeit ich für das jeweilige Projekt aufwende. Im Zweifelsfall kann ich so viel einfacher gegensteuern, weil ich eine Datengrundlage habe.

Zum anderen ist Time Tracking aber auch ein wichtiger Motivator für mich. Wenn ich nach der Hälfte der Woche sehe, dass ich schon 10 Stunden in meine Promotion gesteckt habe, macht mich das stolz und motiviert mich, dranzubleiben. Auch hier profitieren Langzeitprojekte am meisten: Wenn man kaum messbare Erfolge hat, weil das Projekt so groß ist, ist es umso wichtiger, ein Gefühl dafür zu haben, was man eigentlich gemacht hat. Ansonsten arbeitet man zwar vielleicht den ganzen Tag, weiß aber am Ende des Tages nicht wofür. Time Tracking in Kombination mit anderen Reflexionstechniken hilft mir, zu sehen, was ich schon erreicht habe, was unheimlich wichtig für meine Langzeitmotivation ist.

Und natürlich sehe ich so auch, wie sich langfristige Trends entwickeln. Ich kann sehen, woran ich in der letzten Woche, im letzten Monat oder im vergangenen Jahr gearbeitet habe und auf dieser Grundlage entscheiden, ob das so bleiben soll.

Meine gearbeitete Zeit in 2020 nach Projekten sortiert

So sehe ich, dass ich im Jahr 2020 ziemlich genau 1.500 Stunden gearbeitet habe, wobei man dazu sagen muss, dass der Januar nicht eingeflossen ist, da ich erst ab Februar 2020 getracked habe. Der größte Teil der Zeit ist in meinen damaligen Job gegangen, wie man es auch erwarten würde. Besonders hilfreich fand ich zu sehen, dass ich 150 Stunden in meine Promotion gesteckt habe, was mir rückblickend wenig erschien. Aus dieser Erkenntnis erwuchs mein Wunsch, in diesem Jahr mehr daran zu arbeiten. Stand heute ist das gelungen. Anfang Dezember stehe ich bei ca. 280 Stunden und ich bin optimistisch, dass ich bis Ende des Jahres die 300 Stunden noch knacke. Damit hätte ich meine Arbeit am PhD verdoppelt, was ein großer Erfolg wäre. Gleichzeitig deckt sich das auch mit meinem Gefühl, dieses Jahr deutlich mehr vorangekommen zu sein.

Gleichzeitig ist jetzt schon absehbar, dass im Jahr 2021 noch mehr Zeit als die ohnehin umfangreichen 150 Stunden auf Admin-Tätigkeiten entfallen wird. Das ist mir zu viel, sodass ich für 2022 schon mal das Ziel formuliere, weniger Zeit damit zuzubringen.

Welche Tools benutze ich?

Mein Mittel der Wahl ist Timery. Timery ist eine Time Tracking App oder eher ein Frontend, welche auf den Service von Toggl zurückgreift, die auch eine eigene App haben. Die könnte ich natürlich auch nutzen, aber Timery gefällt mir besser und funktioniert auch sehr intuitiv. Vor allem mag ich, dass man hier unkompliziert Shortcuts für einzelne Timer anlegen kann. So lassen sich Projekte mit Tags in einem Timer-Shortcut kombinieren und ich kann mit einem Klick die entsprechende Kombi starten. Allerdings ist Timery nur auf macOS und iOS verfügbar. Wer also unter Windows oder Android arbeitet, kann auf Toggl zurückgreifen, deren Apps in letzter Zeit auch besser geworden sind.

Ich möchte das mal an einem Beispiel verdeutlichen: meiner freiberuflichen Arbeit, zu der auch dieser Blog gehört. An sich könnte ich einfach nur ein Projekt Freiberuflichkeit anlegen und schon wäre das Thema durch. Allerdings würde mir das nicht gerade viele Daten liefern. Ich könnte nicht differenzieren, ob ich in erster Linie Mails schreibe oder wirklich etwas tue, das den Blog voranbringt.

Daher habe ich insgesamt fünf verschiedene Freelance Timer angelegt: Schreiben, Editing, Admin, PR und Kund:innen-Arbeit. Schreiben ist für das Schreiben von Blog-Artikeln reserviert, Editing für das Anlegen und Überarbeiten von Posts. PR umfasst Twitter, Vernetzung etc., Kund:innen-Arbeit sind Seminare, Vorträge oder Dinge, die ich für andere schreibe. Admin zu guter Letzt sind E-Mails in Verbindung mit meiner Freelance-Tätigkeit, Calls mit Gleichgesinnten oder sonstige Orga-Tätigkeiten.

Es gibt aber noch einen weiteren Qualifier: das Deep Work Tag. Die Trennung in deep und shallow work hat Cal Newport popularisiert, basiert aber letztlich nur auf der (sehr banalen) Annahme, dass man längerer Phasen konzentrierter Arbeit benötigt, wenn man komplexe intellektuelle Aufgaben lösen möchte. Alle fünf Minuten von einer E-Mail oder Twitter unterbrochen zu werden, ist also keine gewinnbringende Idee. Mein Bestreben als Wissensarbeiter ist es also, einen möglichst großen Teil meiner Arbeitszeit mit *deep work zuzubringen. Daher tagge ich bestimmte Aufgaben entsprechend. So kann ich nachvollziehen, ob ich wirklich an Dingen gearbeitet habe, die mich inhaltlich weiter bringen.

Meine Timer, meine Ergebnisse

Das A und O beim Time Tracking ist, dass man es konsistent tut. Es bringt gar nichts, wenn man nur sporadisch mal erfasst, wohin die Zeit geht. Entweder ganz oder gar nicht. Und um das zu gewährleisten, muss es so einfach wie möglich sein, einen Timer zu starten.

Zum Glück ist Timery in dieser Hinsicht vorbildlich und bietet auf dem iPad und iPhone die Möglichkeit, Widgets anzulegen, in denen man oft genutzte Timer hinterlegen kann. Das sieht bei mir so aus:

Unter dem Widget für die verschiedenen Timer liegt noch ein Widget, welches mir meine wöchentliche Arbeitszeit aufgesplittet nach Projekten anzeigt. Darunter, und eine Nummer kleiner, befinden sich ebenfalls zwei Widgets. Zum einen nochmals eine Wochenübersicht, in diesem Fall aber aufgeteilt nach Tagen. Zum anderen eine Übersicht für den jeweiligen Tag. Auf diese Weise habe ich alles, was mit Time Tracking zu tun hat, gebündelt an einem Ort. Auf dem iPad ist die Sache noch komfortabler, da es dort eine XL-Option für Widgets gibt. Damit hat man dann wirklich alles im Blick. Ein regelrechtes Time Tracking-Kommandozentrum.

Auf dem Mac nutze ich zusätzlich die App.

 Hinzu kommt ein Obsidian Plug-in, welches direkt mit Toggl, dem Dienst hinter Timery kommuniziert und mir eine Integration für Obsidian bietet, mit der ich ebenso (und vor allem per Tastatur) Timer starten, stoppen oder ändern kann. Außerdem sehe ich eine Übersicht für den aktuellen Tag. 

Das Pugin für Obsidian erlaubt mir, wirklich überall schnell Timer zu starten und zu bearbeiten

Dieses ‘Konglomerat’ an Apps, Widgets und Plug-Ins schießt zwar vielleicht ein wenig übers Ziel hinaus, erfüllt aber den Zweck. Time Tracking ist mir mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen, gehört ganz selbstverständlich zu meinem Arbeitsalltag und bietet mir wichtige Einsichten.


Photo by Lukas Blazek on Unsplash

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