Von der Idee zur Arbeit – Exposé schreiben

Das Exposé ist der erste Schritt zu einer gelungenen Arbeit. Was gehört in ein Exposé? Und wie finde ich eine gute Fragestellung?

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Ich habe in meinem Studium viele Hausarbeiten und nur sehr wenige Klausuren geschrieben. Das hat mir immer gut gefallen, da ich „Bulimielernen“ auf einen fixen Termin hin noch nie für eine gute Idee hielt. Stattdessen habe ich mich meist gern ein wenig länger mit einem einzigen Thema befasst.

Unabhängig vom Umfang oder dem gewählten Thema hat sich dabei immer wieder eine Aussage bestätigt: War das Exposé gut, wurde die Arbeit gut. War es schlecht, wurde die Arbeit schlecht. Ein gutes Exposé ist ein Arbeitsplan, den man dann „nur“ noch abarbeitet und an den man sich immer wieder wenden kann, wenn man im Forschungsprozess mal nicht weiterkommt.

Ich würde so weit gehen und sagen, dass ein gutes Exposé schon die halbe Miete ist. Entsprechend viel Zeit darf auch dafür eingeplant werden! Zu Beginn habe ich oft den Fehler gemacht, das Exposé in wenigen Tagen schreiben zu wollen: Irgendeine lose Idee, ein bisschen Literatur lesen und eine halbgare Methode — zack, fertig: Exposé.

Aber so läuft es nicht. Zumindest nicht, wenn die Hausarbeit ein Erfolg sein soll. Bei meinen besten Arbeiten habe ich ungefähr ein Verhältnis von 2 zu 1 gewählt. Also beispielsweise eine Woche für das Finden der Fragestellung und das Schreiben des Exposés und zwei Wochen für die eigentliche Arbeit1.

Stand der Forschung

Zu jedem guten Exposé gehört ein Überblick über den Stand der Forschung. Das hängt natürlich auch mit der Formulierung der Fragestellung zusammen. Wie ich im nächsten Teil noch ausführen werde, solltest du möglichst eine Forschungslücken bearbeiten, zumindest wenn es in Richtung einer Abschlussarbeit geht. Einfache Seminararbeiten sind meist eher Schlussfolgerungen aus Sekundärliteratur. Für beide Fällt gilt aber: Kenne dein Forschungsfeld!

Wie umfassend der Literaturüberblick dabei sein muss, hängt wiederum vom Umfang und der Wichtigkeit der Arbeit ab. Eine fünfzehnseitige Hausarbeit hat logischerweise einen sehr viel kleineren Abschnitt zum Forschungsstand, als eine Dissertation. Es erwartet auch niemand von dir, das komplette Forschungsfeld zu kennen. Du solltest aber natürlich deutlich machen, dass du einige Paper und vielleicht auch das ein oder andere Buch gelesen hast oder zumindest kennst. Nur so wird es schließlich möglich, herauszufinden, ob nicht schon jemand anderes deine Fragestellung erschöpfend beantwortet hat.

Checkliste

  • Hast du dich intensiv mit der bestehenden Literatur befasst?
  • Kannst du verschiedene Forschungsströmungen und -ansichten zum Problem wiedergeben?
  • Hast du eine Forschungslücke identifiziert?

Aus einer losen Idee eine konkrete Forschungsfrage machen

Was macht aber nun eine gute Fragestellung aus und wie komme ich überhaupt von einer losen Idee zu einem konkreten Forschungsvorhaben? Zeit und echtes Auseinandersetzen mit dem Thema ist hier unerlässlich. Wer glaubt, dass eine gute Frage einfach so vom Himmel fällt, wird keinen Erfolg haben.

Nach meiner Erfahrung ergeben sich gute und wirklich relevante Forschungsfragen aus intensivem Literaturstudium. Kennt man den Stand der Debatte, fallen einem viel eher Forschungslücken oder Merkwürdigkeiten auf. Auch Anwendungsmöglichkeiten für eine bestimmte Theorie oder Methode werden erst offenbar, wenn man den Untersuchungsgegenstand gut kennt. Oft ging es mir so, dass ich nur ein grobes Oberthema interessant fand und dann dazu gelesen habe, bis ich einzelne Aspekte herauskristallisieren konnte. Und genau aus diesen Einzelaspekten wird dann eine Fragestellung.

Du solltest dabei auf eine gute Mischung aus eigenem Interesse und Vorwissen, sowie Machbarkeit achten. Unter Machbarkeit fasse ich dabei so unterschiedliche Faktoren wie Feldzugang, Literaturlage, Zeit, oder finanziellen Aufwand. Die Fragestellung sollte immer in einem sinnvollen Verhältnis zur zu erbringenden Leistung stehen. Wenn man nur eine kleine Seminararbeit schreiben soll, geht es beispielsweise meist nur darum, nachzuweisen, dass man wissenschaftlich arbeiten kann. Man muss hier (und wird auch nicht) nicht die Wissenschaft revolutionieren.

Kriterien für eine gute Fragestellung

Hast du den Forschungsstand aufgearbeitet, kannst du dich der eigentlichen Fragestellung zuwenden. Diese ist der Dreh- und Angelpunkt deiner Arbeit und sollte daher entsprechend sorgsam gewählt werden. Es bringt beispielsweise niemandem etwas (und zuallerletzt dir), wenn die Fragestellung viel zu breit ist. Der Untersuchungsgegenstand sollte also immer räumlich und zeitlich eingegrenzt werden. Tauchen diese Faktoren in deiner Fragestellung auf, bist du schon mal auf einem guten Weg.

Zuletzt sollte das gewählte Thema natürlich relevant sein. Hierbei geht es in erster Linie um wissenschaftliche Relevanz. Du musst also Forschungslücken identifizieren, die bearbeitet werden können. Studierst du Geistes- oder Sozialwissenschaften kann auch die gesellschaftliche Relevanz eine Rolle spielen. Gerade Abschlussarbeiten kann man mit dem Anspruch entgegentreten, auch etwas zu aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen beitragen zu wollen. Selbst für naturwissenschaftliche Forschung können diese Überlegungen eine Rolle spielen. So hat Forschung zum Sterben der Bienen beispielsweise eine sehr große gesellschaftliche Relevanz und würde Forschung rechtfertigen.

Generell gesprochen können Fragestellungen in verschiedene Typen eingeteilt werden. Eine Auflistung (ohne Anspruch auf Vollständigkeit und mit einem Fokus auf Sozialwissenschaften) liefert die Übersicht von Sven Chojnacki, Professor an der Freien Universität Berlin:

  • Skandalisierung: Aufdecken und Hinterfragen gesellschaftlicher Missstände, beinhaltet ein eher aktivistisches Forschen
  • Neugierde: Infragestellung bzw. kritische Reflexion von vermeintlichen Selbstverständlichkeiten oder vergessenen Themen/Zusammenhängen (das kann z.B. auch für den Bereich Medizin sehr spannend sein, bei der Suche nach alten/vergessenen Therapieformen oder Ansätzen)
  • Neuheiten: Identifikation (vermeintlich) neuer empirischer Probleme / theoretischen oder methodischen Forschungslücken
  • Rätsel: irritierende empirische Beobachtungen, die sich mit theoretischem Wissen nicht erklären lassen
  • Theorienkonkurrenz: Vergleich von Theorien anhand von konkreten empirischen Problemen zur Einschätzung ihrer Erklärkraft und Reichweite
  • Theoriendefekt: Aufdeckung von Lücken und strukturellen Defekten bestimmter Theorien sowie begrifflich-analytische Ansätze zur Revision
  • Theorientransfer: Übertragung von theoretischen Ansätzen und Hypothesen auf andere oder neue Forschungsbereiche

    Quelle: Chojnacki 2006

Checkliste

  • Ist deine Fragestellung hinreichend zugespitzt und mit Blick auf räumlichen und zeitlichen Kontext eingeschränkt?
  • Ist deine Fragestellung dazu geeignet, die folgende Forschung präzise anzuleiten?
  • Lassen sich aus deiner Fragestellung ggf. Hypothesen ableiten?
  • Hast du die Relevanz deiner Fragestellung deutlich gemacht?

Methodik

In diesem Abschnitt eines Exposés geht es darum, schlüssig aufzuzeigen, wie eine gewählte Methode hilft, die Forschungsfrage zu beantworten. Das wichtigste Leitmotiv ist dabei, dass die Methode der Frage folgt — nicht umgekehrt. Auch hier zahlt sich also eine gut durchdachte Fragestellung wieder aus. Wer genau weiß, was er oder sie will, weiß auch eher wie man es bekommt.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist das zur Verfügung stehende Material bzw. eine Abschätzung, welches Material man bekommen wird. Ist zum Beispiel absehbar, dass die eigenen Ressourcen nicht reichen, um ausführliche Interviews zu führen, empfiehlt sich eine Methode, die stärker auf das Auswerten von Texten zielt. Das gleiche gilt für Naturwissenschaften. Als Student der Physik wird man wohl eher nicht den LHC in Genf nutzen können und muss die eigenen Vorhaben entsprechend anpassen.

Drittens spielt natürlich auch die eigene Vertrautheit mit der Methode eine wichtige Rolle. Es bietet sich beispielsweise nicht an, für eine Abschlussarbeit eine bisher nie benutzte Methode zu wählen. Im Idealfall sollte man diese schon bei weniger wichtigen Arbeiten erlernt und getestet haben. Aber natürlich ist das nicht immer umsetzbar. Ich selbst habe in meiner Masterarbeit eine Auswertungsmethode für Interviews genutzt, die ich erst während der Masterarbeit erlernt habe. Mit den Resultaten war ich dennoch zufrieden. Es ist also kein Ausschlusskriterium und gerade in einfachen Seminar- oder Hausarbeiten sollte man sich durchaus mal etwas trauen, um nicht immer nur im eigenen Saft zu schmoren.

Checkliste

  • Kann die Methode die Forschungsfrage beantworten?
  • Passt die Methode zum Material, dass du erheben kannst?
  • Kennst du die Methode bereits oder hast zumindest genügend Zeit, sie zu erlernen?
  • Bist du dir über Stärken und Schwächen der Methode bewusst?

Arbeits- und Zeitplan

Ein Arbeits- und Zeitplan ist gleichermaßen wichtig wie schwierig. Wirklich realistisch kann man einen solchen Plan eigentlich erst erstellen, wenn man schon ein wenig Erfahrung mit vergleichbaren Arbeiten gesammelt hat. Gerade zu Beginn wird man überrascht sein, wie lang es dauern kann, ein umfangreiches Paper durchzuarbeiten oder passende Literatur zu recherchieren. Auch fällt das Schreiben nicht jedem und jeder gleichermaßen leicht und kann schnell zum Zeitfresser werden — von der Lieblingsbeschäftigung aller Student*innen, der Prokrastination wollen wir mal gar nicht anfangen.

Was ich damit sagen will ist zweierlei: Zeitpläne sind schwer abzuschätzen und im Zweifelsfall zu optimistisch. Sei also entsprechend großzügig bei der Zeitplanung. Lass dir Puffer zum Korrekturlesen und unvorhergesehenen Schwierigkeiten. Interview-Partner*innen können absagen, Literatur kann bereits von jemand anderem ausgeliehen sein und manchmal hat man auch einfach nur eine Schreibblockade. Spätestens an diesem Punkt lohnt es sich, mehr Zeit als absolut nötig ist zu haben. Gleichzeitig zwingt das Aufstellen eines Zeitplans dich, dich wirklich mit deinem Vorhaben auseinander zu setzen und ggf. Stolperfallen auszumachen.

Checkliste

  • Überlege wie lang die einzelnen Schritte deiner Arbeit realistischerweise dauern.
  • Plane dann lieber etwas zu viel, als zu wenig Zeit ein.
  • Frage im Zweifelsfall bei deiner*m Betreuer*in nach. Er*Sie hat mehr Erfahrung als du.

Literatur

Ein vorläufiges Literaturverzeichnis ist der Endpunkt eines guten Exposés. Es geht dabei nicht darum, schon erschöpfend in die Literatur einzusteigen. Viel mehr zeigst du hier, dass du bestimmte Schlüsseltexte gelesen hast und dir einen guten Überblick verschafft hast. Im Grunde handelt es sich hier nur um eine Fortführung des Punktes Stand der Forschung.

Als Faustregel gilt, dass du das ein oder andere Überblickswerk aufführen solltest und darüber hinaus einige spezialisierte Paper, die sich stärker mit deinem konkreten Forschungsproblem befassen. Ergänzen kannst du das durch Literatur zur genutzten Theorie und Methode, sowie nicht-wissenschaftlicher Literatur wie Zeitungsartikel oder ähnliches.

Checkliste

  • Hast du einen guten Mix aus verschiedenen Quellenarten in der Literaturliste?
  • Ist der überwiegende Teil wissenschaftliche Literatur?
  • Hälst du dich beim Erstellen des Literaturverzeichnisses an Zitierstandards?

Ein gutes Exposé ist der erste Schritt zum Erfolg

Ich glaube, dass dir die Wichtigkeit eines guten Exposés nun klar sein sollte. Es lohnt sich, hier Zeit zu investieren, da du sie später wieder zurück bekommst. Ein gutes Exposé ist wie eine Anleitung, die dir beim Erstellen der eigentlichen Arbeit immer wieder hilfreich sein wird.

Die Länge eines Exposés variiert und richtet sich nach dem Umfang der Arbeit, die geschrieben werden soll:
+ Für einfache Haus- oder Seminararbeiten mit einem Umfang von 15 Seiten reichen zwei bis drei Seiten Exposé. Schwerpunkte sollten die Fragestellung, erste Ideen zur Methodik, der Arbeitsplan und die Literatur sein.
+ Für Abschlussarbeiten empfiehlt sich eine Länge von sechs bis maximal zehn Seiten. Klar ist auch, dass eine Masterarbeit ein umfangreicheres Exposé voraussetzt, als eine Bachelorarbeit. Es müssen dabei alle hier besprochenen Punkte auftauchen, ein Fokus sollte auf der Fragestellung und der Methodik liegen.
+ Bei einer Dissertation können es auch leicht 15 – 20 Seiten Exposé werden. Hier sollte unbedingt auch schon der Forschungsstand umfangreich abgebildet werden. Hinzu kommen erste Überlegungen zu Stärken und Schwächen der gewählten theoretischen Perspektive, sowie der Methodik.

Zu guter Letzt möchte ich dich noch auf ein interessantes Angebot aufmerksam machen für alle, die Unterstützung beim Thema Literaturverwaltung benötigen. Gerade bei längeren Projekten wie Abschlussarbeiten oder Dissertationen ist es unerlässlich, ein gut funktionierendes System zum Speichern, Auffinden und Zitieren von Literatur zu haben. Ich habe an anderer Stelle bereits darüber geschrieben. Ein sehr hilfreiches Tool hierfür ist Citavi. In meinen Augen handelt es sich um die beste Literaturverwaltung, die es auf dem Markt gibt. Gleichzeitig handelt es sich hier aber um ein komplexes Thema. Zum Glück gibt es Menschen, die sich damit hervorragend auskennen. Einer dieser Menschen ist Anke Rapsch, ihres Zeichens Citavi-Trainerin. Ihre nächste Thesis-Erfolgsgruppe startet Anfang März und noch kannst du dich für einen Platz anmelden. Sollte dich das neugierig gemacht haben, kannst du hier mehr erfahren.

Ich hoffe, du weißt nun, wieso ein Exposé so wichtig ist und was hineingehört. Sicherlich zielt diese Anleitung eher auf Geistes- und Sozialwissenschaften ab, aber auch Naturwissenschaftler*innen können hier etwas mitnehmen. Ein gutes Exposé ist der erste Schritt zu einer gelungenen Arbeit.


  1. Ich rede hier von einer Arbeit auf dem Niveau eines Masterstudiengangs mit einem Umfang von ungefähr 20-25 Seiten. 

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